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Bewegung für die Seele

Ob Sporteln oder Spazierengehen, Schwimmen oder Reiten: Wer sich bewegt, tut nicht nur etwas für seinen Körper, sondern auch für seine Psyche. Von Antonia Wemer

Bewegung macht glücklich. Das glauben Sie nicht? Dann schauen Sie doch einmal in die Gesichter von Menschen, die gerade von einer Radtour kommen, eine Stunde joggen waren oder eine Yogaklasse absolviert haben. Mit hoher Wahrscheinlichkeit haben sie strahlende Augen und ein zufriedenes Lächeln auf den Lippen. 

Warum das so ist, dazu wurde in den letzten Jahren vielfach geforscht. Die Wissenschaftler stellten dabei fest, dass regelmäßiges Training nachweislich die Stimmung hebt – und sogar ähnlich wirksam gegen Depressionen sein kann wie eine medikamentöse Therapie. 

Gründe dafür gibt es viele: Zum einen bieten sportliche Aktivitäten eine gute Ablenkung und senken die Aktivität im präfrontalen Kortex, einem Teil der Großhirnrinde, der bei depressiven und ängstlichen Menschen hyperaktiv ist und für endloses Grübeln und negative Emotionen verantwortlich zeichnet. Zum anderen wird das Gefühl der Selbstwirksamkeit gesteigert. 

„Indem sportlich Aktive schrittweise Leistungsgrenzen überwinden, entwickeln sie Selbstvertrauen“, erklärt Dr. Christa Roth-Sackenheim, Vorsitzende des Berufsverbands Deutscher Psychiater auf neurologen-und-psychiater-im-netz.org. Allerdings sollte man körperliche Überforderung vermeiden – sonst läuft man Gefahr, die Lust aufs Training und die Eigenmotivation zu verlieren. 

Zumal es auch gar nicht auf die Quantität ankommt: Schon einzelne Einheiten von nur 30 Minuten können nicht nur für bessere Laune sorgen, sondern sogar Panikattacken reduzieren. Zwar sind ein regelmäßiges Training und meistens auch eine Anlaufzeit von etwa 8 bis 12 Wochen notwendig, bis sich nachhaltige Effekte beobachten lassen. 

„Eine ständige Leistungssteigerung und ein sich Quälen sind aber sicherlich nicht erforderlich – die Bewegung soll ja vor allem Freude machen“, betont Roth-Sackenheim. „Dabei ist es nicht entscheidend, welcher Aktivität man nachgeht – sei es nun Ausdauertraining wie Joggen oder Tanzen, Krafttraining oder Yoga. Hauptsache, es ist eine Aktivität, für die man sich begeistern kann!“ Wichtig ist daher, dass man für sich selbst die Bewegungsform findet, die einem Spaß macht – und die zu den eigenen emotionalen Bedürfnissen passt. Hier sind einige Ideen für alle, die noch auf der Suche nach dem passenden Training für Körper und Seele sind:

Schwimmen:
„Weizen sind Gräser mit Ähre. Schwimmen ist wie Fliegen für Schwere“, schreibt der deutsche Slampoet Sebastian 23 in seinem Gedicht „Poetischer Film: Zeit für Lyrik“. Tatsächlich fühlen sich Menschen aller Gewichtsklassen im Wasser so leicht wie ein Vogel. Das Comeback des Schwimmsports ist daher für alle, die sich sonst nicht so schwerelos vorkommen, gleich doppelt ein Segen: 

Einerseits lässt die Bewegung im kühlen Nass dank des erhöhten Widerstands auf die Muskeln die Kilos schneller schwinden. Und andererseits wirkt die Empfindung der Leichtigkeit motivierend. Aber auch für Menschen ohne körpereigenen Schwimmreifen kann das Gefühl, einmal keinen Boden unter den Füßen zu haben, höchst relaxend sein. 

Vor allem Leute, die sonst immer auf Kontrolle bedacht sind, können im Wasser oft besser loslassen als anderswo. Gleichzeitig wird durch die Bewegung Stress abgebaut. Besonders wohltemperierte Gewässer können zusätzlich ein starkes Geborgenheitsgefühl auslösen – vielleicht, weil man sich unbewusst in einen vorgeburtlichen Zustand zurückgesetzt fühlt.

Kampfsport:
Ob Karate, Jiu Jitsu oder Boxen – Kampfsport steigert das Selbstvertrauen wie kaum ein anderer Sport. Das Entdecken der eigenen Schlagkraft kombiniert mit dem Wissen, dass man die Technik kennt, mit der man sich notfalls verteidigen kann, verleiht eine innere Stärke, die man durch die Körperhaltung ausstrahlt. 

Henri Robert Altvater, der an der Sigmund-Freud-Privatuniversität Wien im Fachbereich Psychologie forschte, stellte fest, dass aktive Kampfsportler ein deutlich höheres Selbstwertgefühl aufweisen, weniger unter Stresssymptomen leiden und schwierigen Situationen eher mit positivem Denken und weniger mit erhöhtem Zigaretten- oder Alkoholkonsum begegnen. 

Während des Trainings wird man nicht nur körperlich herausgefordert, sondern auch mental. Man begibt sich dabei auf eine Reise der Selbstentdeckung, die von innen her Kraft verleiht und emotionale Resilienz fördert. Kampfsportler lernen, ihre Emotionen zu kontrollieren, sich Herausforderungen zu stellen und über sich selbst hinauszuwachsen. Darüber hinaus baut man Alltags-Agressionen ab und wird dadurch gelassener. 

Wer seinen Job-Frust beispielsweise am Sandsack abreagiert, fühlt sich nachher befreit und geerdet – und kann Probleme auf viel ruhigere und konstruktivere Weise angehen. Übrigens ist Kampfsport längst keine Männerdomäne mehr. Immer mehr Frauen haben mittlerweile entdeckt, dass sie damit mehr Selbstbewusstsein aufbauen können. 

Spätestens seit Influenzerin Gigi Hadid vor rund zehn Jahren von ihrem Boxtraining schwärmte, ballen auch immer mehr weibliche Bewegungs-Fans die Fäuste. Besonders beliebt bei Frauen ist Kickboxen: Bei dieser koordinativen Sportart wird das Kämpferische mit dem Eleganten vereint. Und: Anders als beim Boxen wird der Gegner durch die Kicks stärker auf Distanz gehalten, was das Verletzungsrisiko reduziert.

Yoga:
Auch herabschauender Hund, Kriegerin und Kobra sollen Depressionen, Ängste und Schmerzen lindern. Darüber hinaus wird den Übungen der fernöstlichen Bewegungsform Yoga nachgesagt, dass sie das Gedächtnis verbessern. Laut Hirnforschung verlangsamt das Training den altersbedingten Abbau der grauen Substanz, die ein wesentlicher Teil unseres Zentralnervensystems ist. 

Weniger graue Substanz beeinträchtigt das Gedächtnis und könnte unter anderem das Risiko für Demenz erhöhen. Besonders atmungsbasiertes Yoga scheint sich besonders positiv auf das Erinnerungsvermögen und die Aufmerksamkeit auszuwirken. Bei Meditationsübungen, die ebenfalls häufig im Rahmen von Yogaklassen gemacht werden, wird wiederum messbar mehr vom Botenstoff Dopamin produziert. 

Dieser körpereigener Stimmungsaufheller stimuliert wichtige kognitive Prozesse im präfrontalen Kortex. Sinkt der Dopaminspiegel, lassen Aufmerksamkeit, Konzentration und andere geistige Fähigkeiten für gewöhnlich nach. Zudem weisen Yogapraktizierende nach dem Training eine höhere Frequenz von Alphawellen auf, die das Hirn in einen Ruhezustand versetzen, im dem es mehr aufnehmen kann. Mehrere Studien berichten auch über eine Abnahme der Stress-Levels. So soll etwa ein achtwöchiges Hatha-Yoga-Programm den Blutspiegel des Stresshormons Kortisol deutlich mehr senken als gewöhnliches Stretching.

Laufen:
Wenn sich passionierte Laufsportler:innen miteinander unterhalten, ist immer wieder vom „Runner’s High“ die Rede. Gemeint ist damit der berauschende Zustand, bei dem der Organismus Botenstoffe produziert, die einen mit Glücksgefühlen überschwemmen und alle Schmerzen und Schwierigkeiten vergessen lassen. Als Ursache wurde lange Zeit die Ausschüttung von Endorphinen vermutet. 

Mittlerweile haben Studien des deutschen Verhaltensforschers Johannes Fuß gezeigt, dass wohl eher körpereigene Cannabinoide dafür verantwortlich sind. Manche Läufer haben nie ein Runner’s High, andere erleben es regelmäßig. Die Ursache für diesen Unterschied ist unklar. Meist tritt der Glücksrausch aber beim Langstreckenlaufen, also nach mehreren Kilometern auf. 

Der ganz normale „Flow“ hingegen stellt sich schon früher ein: Damit wird eine Gemütslage bezeichnet, in der nur noch der Augenblick zählt. Man denkt nicht mehr darüber nach, was man getan hat oder noch zu tun hat, sondern kann das Jetzt und Hier intensiv erleben. Diese Erfahrung macht viel von der Faszination des Lauftrainings aus – und wird mittlerweile therapeutisch gegen Depressionen eingesetzt. 

Aber auch bei Stress oder wenn man einfach einmal einen schlechten Tag hat, kann die Joggingrunde um den Häuserblock helfen, den Kopf wieder frei zu bekommen und Platz für schöne Gedanken zu schaffen. Wichtig beim Laufen sind kleine Etappenziele, gute Sportschuhe und im Sommer ausreichender Sonnenschutz. Denn auch (oder gerade weil) wenn man bei einem etwaigen Runner’s High die Schmerzen, die wunde Füße oder ein Sonnenbrand bereiten, nicht spürt, sollte man beides vermeiden.

Gehen:
Man muss aber gar nicht so schnell unterwegs sein: Schon einfaches Spazieren durch den Park ist pure Fitness für die Seele. Studien zufolge wirkt bereits zehnminütiges Gehen belebend, nach zwölf Minuten hebt sich die Stimmung und nach 20 Minuten wird man sogar robuster, unschöner Erlebnisse gegenüber. US-amerikanische Forscher haben festgestellt, dass Spaziergänge im Vorfeld schmerzhafter Vorfälle eine schützende Wirkung auf die Psyche haben. 

Es ist also sicher eine gute Idee, vor einem schwierigen Job-Gespräch, einer bevorstehenden Trennung oder einem Begräbnis ein paar Runden zu drehen. Wer eine Stunde pro Woche spazieren geht, schützt sich selbst sogar langfristig vor Depressionen. Aber auch die Kreativität lässt sich durch Spazierengehen steigern. In einem amerikanischen Experiment stieg der Ideenreichtum von Probanden nach einem zehnminütigen Spaziergang um rund 80 Prozent. 

Festgestellt wurde diese Zunahme mithilfe des sogenannten Guilford’s Alternative Uses-Test: Die Versuchsteilnehmer sollten binnen vier Minuten für Alltagsgegenstände so viele alternative Verwendungszwecke wie möglich erfinden. Was kann man mit einem Ziegel, einem Schuh oder einem Knopf sonst noch alles anstellen? 

Beim Spazierengehen sprudelten die Ideen nur so. Taiwanesische Forscher wiederum fanden heraus, dass auch der Weg, auf dem man geht, dabei eine Rolle spielt: Wer nur in einem Rechteck unterwegs ist, beflügelt seine Fantasie weniger als jemand, der sich frei und ungehindert bewegen kann.

Reiten:
Alles Glück der Erde liegt auf dem Rücken der Pferde. Die meisten Reiter würden diesen Satz sofort unterschreiben. Allein die Freiheit, die man bei einem schnellen Ausritt durch die unberührte Landschaft spürt, ist für viele Grund genug, morgens um halb sechs Uhr aufzustehen und in den Reitstall zu fahren, um das Pferd zu versorgen und – wenn noch genügend Zeit bleibt – vor der Fahrt ins Büro eine Runde durch den Wald zu galoppieren. 

Aber schon allein die Fürsorge, die man seinem tierischen Gefährten zuteil werden lässt und die emotionale Bindung, die dadurch aufgebaut wird, machen einen Teil des positiven Effekts auf die eigene Psyche aus. Beim Reiten selbst kommt dann noch das angenehme Gefühl hinzu, getragen zu werden – und das Erfolgserlebnis, wenn ein 600 kg schweres Tier tut, was man will. 

Therapeuten setzen Pferde längst für die Behandlung von Menschen mit Behinderungen oder nach schweren Schicksalsschlägen ein. Bei diesen Reittherapien wird mit Hilfe von speziell ausgebildeten Pferden beispielsweise das Vertrauen in sich selbst und andere neu erlernt. Aber schon der ganz gewöhnliche Sonntagsausritt wirkt seelenstärkend: Die körperliche Nähe zu einem anderen Lebewesen, die sozialen Kontakte, die man im Reitstall knüpft und die Tatsache, dass man im Freien unterwegs ist und Vitamin D tankt – all das schenkt frische Energie, bessere Laune und neuen Lebensmut.

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